2. Über das Internet

Das Internet ist ein dezentraler Verbund von Rechnernetzen, über den mehrere Millionen Rechner aus der ganzen Welt Daten austauschen und miteinander kommunizieren können. Dezentral bedeutet in diesem Zusammenhang, daß es keine zentrale Verwaltung gibt, die das Wachstum des Netzes oder Form und Inhalt der im Internet ausgetauschten Daten kontrolliert, sondern nur lokale Verwaltungen der Teilnetze. Das Internet entstand aus dem ARPANET, das Anfang der siebziger Jahre von der ARPA (U.S. Advanced Research Projects Agency) aus militärtaktischen Überlegungen heraus initiiert wurde. Nach seiner Öffnung für nichtmilitärische Forschungseinrichtungen entwickelte sich dieses Netz allmählich zu einem Netzverbund für universitäre und wissenschaftliche Einrichtungen.[2] Einen großen Anteil an Aufbau und Weiterentwicklung des Internet hatten engagierte Einzelpersonen und Gruppen aus meist universitären Einrichtungen, die letztendlich aus öffentlichen Mitteln der beteiligten Staaten finanziert wurden. Die Anzahl der ans Internet angeschlossenen Rechner wächst beständig: Im ARPANET waren 1972 40 Großrechner miteinander verbunden, 1985 verband das Internet weltweit ca. 100 Rechnernetze, 1989 waren daraus 500 geworden, ein Jahr später 2.000, 1994 40.000. [3] Im Juli 1996 werden bereits ca. 450.000 Netze mit über 12 Millionen Rechnern registriert.[4] Inwieweit diese Zahlen Rückschlüsse auf die tatsächliche Internet-Nutzung erlauben, ist umstritten (vgl. die Einwände in Stoll 1996, S. 34f.).

Mit der steigenden Popularität durch den Informationsdienst World Wide Web (siehe 2.2) wird das Internet inzwischen auch zunehmend von kommerziellen Anbietern genutzt. Nichtsdestotrotz gehen auch heute noch sehr viele Informationsangebote im Internet auf Initiativen von Einzelpersonen und Projekten zurück, die weniger von kommerziellen Interessen geleitet sind als vom Bedarf nach internationalem Austausch. Dies gilt insbesondere auch für die von uns untersuchten Wörterbücher und Wörterbuchsammlungen.

Wichtige Konzepte für das Verständnis der Funktionsweise des Internet sind das Client-Server-Prinzip und die Protokollsprache TCP/IP:
Das Client-Server-Prinzip ermöglicht eine Arbeitsteilung zwischen miteinander vernetzten Computern: Ein Clientprogramm eines Computers (auch Client genannt) nimmt von einem Benutzer den Wunsch nach einer Dienstleistung entgegen und gibt sie an einen anderen Computer im Netzwerk (Server genannt) weiter, der über Programme verfügt, mit denen die gewünschte Dienstleistung ausgeführt werden kann. Der Server führt die Dienstleistung aus und gibt das Ergebnis an den Client zurück, der dieses mithilfe des Clientprogramms dem Benutzer präsentiert. Diese Arbeitsteilung ist sinnvoll, weil dadurch rechenintensive Serverprogramme nur einmal auf einem leistungsstarken Rechner installiert sein müssen, der dann als Server viele weniger leistungsstarke Client-Rechner "bedienen" kann.[5]
Damit die Arbeitsteilung zwischen Client und Server funktioniert, müssen die beteiligten Rechner und Programme miteinander kommunizieren können. Hierzu dienen sog. Netzwerkprotokolle, die die Art und Weise regeln, mit denen die Computer des Netzwerks Daten austauschen und sich miteinander verständigen. Die im Internet zusammengeschlossenen Rechner kommunizieren über die Protokollsprache TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol), die von Rechnern unterschiedlicher Betriebssysteme und Systemarchitekturen verstanden wird. Der TCP/IP-Standard ist nicht Eigentum einer Hard- oder Softwarefirma, sondern frei verfügbar. Das Zusammenspiel von Client- und Serverprogrammen, die zwar auf unterschiedlichen Typen von Rechnern lauffähig sind, sich aber über die standardisierte Protokollsprache TCP/IP miteinander verständigen, ist die Grundlage für die vielfältigen Dienste des Internet.

2.1. Internet und Internetdienste

Mit dem Ausdruck Internet kann in der Fachkommunikation zweierlei bezeichnet werden:

1. Internet als Bezeichnung für die Gesamtheit aller weltweit miteinander verbundenen Rechnernetze, die über das Protokoll TCP/IP miteinander kommunizieren. In dieser Verwendung wird das Internet von anderen Computernetzen wie BITNET, EARN, CompuServe, AOL (American Online) oder T-Online abgegrenzt, die andere Protokollsprachen benutzen. Diese Netze können zwar ihren Nutzern über sog. Gateways einen Zugang zum Internet verschaffen, ansonsten bieten sie aber - teilweise auf kommerzieller Basis - eigene Dienstleistungen und Informationen an, die für "reine" Internet-Nutzer nicht zugänglich sind.
2. Internet als Bezeichnung für die Gesamtheit der Dienstleistungen (Dienste), die in dem in 1. bezeichneten Netzverbund angeboten werden. Zu den Basisdiensten [6] gehören die elektronische Post E-Mail mitsamt den darüber verteilten Diskussionslisten; der Dienst FTP, mit dem Dateien verschickt und heruntergeladen werden können, sowie der Dienst Telnet, der die "Fernsteuerung" eines anderen Computers vom heimatlichen Rechner aus ermöglicht. Daneben gibt es eine Reihe von Mehrwertdiensten, die sich unter funktionalem Gesichtspunkt in Kommunikations- und Informationsdienste unterteilen lassen.

Zu den Kommunikationsdiensten zählen die elektronischen Nachrichtenbretter (Newsgroups), in der Neuigkeiten und Meinungen zur allgemeinen Diskussion gestellt werden können, sowie die Online-Diskussionsgruppen (Chat-Dienste), in denen sich verschiedene Teilnehmer miteinander unterhalten können.[7]

Informationsdienste erleichtern es den Internet-Nutzern, gezielt Informationen aus den im Internet angebotenen Datenbeständen herauszufiltern. Dienste wie Whois oder Netfind bieten Metainformationen zum Internet, WAIS (Wide Area Information Server) ermöglicht die einfache Volltextsuche in weltweit verteilten Datenbanken; der Dienst Gopher organisiert den Zugriff auf Datenbestände im Internet über hierarchische Dateisysteme. Der Informationsdienst, der das Internet in den letzten Jahren von einem vorwiegend wissenschaftlich genutzten Netzwerk zu dem in Öffentlichkeit und Presse viel besprochenen "Netz der Netze" gemacht hat, ist der Informationsdienst World Wide Web. Dieser Dienst spielt in unserer Untersuchung die zentrale Rolle, d. h., wie haben uns auf Wörterbuchdaten konzentriert, auf die mit Hilfe eines World-Wide-Web-Clientprogramms zugegriffen werden kann. Wir werden deshalb im folgenden kurz auf die Charakteristika dieses Dienstes eingehen und die Art, wie Wörterbuchdaten darin angeboten werden, an einem Beispiel erläutern.

2.2. Über das World Wide Web (WWW)

Das World Wide Web, abgekürzt als WWW, W3 oder Web, wurde Ende der achtziger Jahre am Genfer Kernforschungszentrum CERN (Conseil européen pour la recherche nucléaire) entwickelt, um die Zusammenarbeit von Spezialisten zu erleichtern, die an verschiedenen Orten zum selben wissenschaftlichen Themenbereich arbeiten. Aus technischer Perspektive funktioniert das WWW ähnlich wie andere Internet-Dienste: WWW-Server verwalten Dokumente, auf die mit entsprechender Client-Software zugegriffen werden kann. Die Besonderheit des WWW liegt in seiner Organisationsform: Das WWW ist aus informationstheoretischer Perspektive ein dezentral verwalteter offener Hypertext und damit ein Netzwerk von Dokumenten, die mittels computerisierten Verweisungen, Hyperlinks genannt, miteinander verbunden sind.[8] Auf den weltweit verstreuten WWW-Servern gibt es Informationsangebote zu ziemlich allen denkbaren und nicht denkbaren Themen: Last-Minute-Flüge, aktuelle Bundesligaergebnisse, Tagesereignisse zum Lesen oder Abhören, Stellenangebote, Aktuelles zur Lindenstraße, Börsenkurse, Buchhandelskataloge mit Bestellkomponente, der aktuelle Flüssigkeitspegel in einer Kaffeemaschine in Cambridge und vieles mehr.

Um diese Informationsangebote nutzen zu können, benötigt ein Internet-Nutzer eine Browser genannte Clientsoftware. Der Ausdruck browse bezeichnet das für die Verwendung von Hypertexten typische "Herumstöbern im Informationsraum" im Kontext eines noch vagen Informationsbedürfnisses, das Kuhlen 1991, S. 26 mit dem Satz auf den Punkt bringt "Ich suche nichts Bestimmtes, ich informiere mich bloß". Andere Ausdrücke für die Nutzung des WWW sind Navigieren und Surfen: Während die Navigationsmetapher im Zusammenhang mit Hypertexten schon länger für die Orientierung im Hyperspace genannten Informationsraums benutzt wird,[9] ist die Metapher des Surfens an das WWW gebunden und stellt im Gegensatz zur seriösen Informationssuche mittels Navigation eher den unterhaltungsorientierten Umgang mit dem Internet in den Vordergrund.

Abbildung 1: Einstiegsseite von SWABIAN INTO ENGLISH

Wie ein solcher Browser die WWW-Daten anzeigt, soll an dem weit verbreiteten Browser Netscape verdeutlicht werden.[10] In Abbildung 1 zeigt dieser Browser die Titelseite des schwäbisch-englischen Wörterbuchs (42), das uns als besonders gut gemachtes WWW-Wörterbuch noch beschäftigen wird ([11] vgl. Abschnitt 3.4 und 4 und Anhang A 2.1). Das angezeigte Dokument besteht aus einer Zeichnung, der Überschrift, einem Zitat und dem Inhaltsverzeichnis, dargestellt als Liste von unterstrichenen Themenangaben. Diese Themenangaben sind durch ihre Unterstreichung und farbige Heraushebung für den kundigen WWW-Nutzer als sog. Aktionswörter erkennbar. Aktionswörter sind Wörter, die wie Schaltflächen funktionieren: Auf einen Mausklick hin wird eine mit dem Aktionswort verbundene Programmieranweisung ausgeführt. Im WWW repräsentieren die Aktionswörter meist Hyperlinks, d. h. Verweisungen auf andere WWW-Dokumente, die dann vom Browser angezeigt werden. Wird in dem in Abbildung 1 gezeigten Bildschirm beispielsweise das Aktionswort Vocabulary per Mausklick aktiviert, so zeigt der Browser den Beginn des Wörterteils des schwäbisch-englischen Wörterbuchs (siehe Abbildung 2). Hier finden sich wieder Hyperlinks, z.B. die unterstrichenen Initialen, die zum Anfang der jeweiligen Alphabetstrecken führen.

Abbildung 2: Beginn des Wörterteils von SWABIAN INTO ENGLISH

In Abbildung 2 wird sichtbar, daß das angezeigte Dokument nicht auf die Größe des Bildschirms begrenzt sein muß: Rechts vom Dokumententeil befindet sich ein sogenannter Scrollbar, mit dessen Hilfe auch umfangreiche Dokumente durchgeblättert werden können, in unserem Beispiel der gesamte Wörterteil. Die Aktionswörter des Wörterteils und die Initialen aktivieren in diesem Fall sog. intrahypertextuelle Hyperlinks, d. h. Verweisungen zu bestimmten Stellen im selben Dokument.[12] Ein Aktionswort wie a’schuke ist also mit einem intratextuellen Hyperlink verbunden, der zu dem Wörterbucheintrag für das Lemma a’schuke führt.

Weitere Bauteile des Browsers sind die Menüleiste, die auf Mausklick eine Auswahlliste von Befehlen sichtbar macht, und die Knopfleiste, auf der einige häufig benötigte Befehle über entsprechende Ikonen direkt aktiviert werden können. Darunter befindet sich das Angabefeld für die aktuell angezeigte URL (Uniform Resource Locator). URLs dienen dazu, die über WWW zugänglichen Informationsangebote zu identifizieren. Die URL unseres Beispiel-Wörterbuchs lautet: http://www.architektur.uni-stuttgart.de:1200/users/tk/sw/swab.html. URLs sind zentral für das WWW, da sie auch zur Identifikation von Dokumenten in inter- und extrahypertextuellen Hyperlinks dienen, d. h. Hyperlinks, die auf andere Dokumente verweisen. Durch die Aktivierung eines extratextuellen Hyperlinks zu einem Dokument, das auf einem anderen WWW-Server liegt, wird in etwa folgender Prozeß in Gang gesetzt:[13] Der lokale Browser gibt die URL an den lokalen WWW-Server weiter, dieser bittet den in der URL spezifizierten WWW-Server um das ebenfalls in der URL spezifizierte Dokument und gibt dieses - falls seine Bitte Gehör findet - an den Browser zurück. Das Verfahren ist prinzipiell dasselbe für intertextuelle Hyperlinks, bei denen auf Dokumente verwiesen wird, die auf demselben WWW-Server liegen, z.B. dem oben besprochenen Hyperlink zwischen der in Abbildung 1 angezeigten Einstiegsseite und dem Wörterteil in Abbildung 2.

Die Unterscheidung von intertextuellen und extratextuellen Hyperlinks ist wichtig für das Verständnis der in 2.3 angesprochenen Probleme und der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die vorliegende Untersuchung: Durch das Fehlen einer zentralen Verwaltung im Internet muß ein Autor, der in einem WWW-Dokument einen extratextuellen Hyperlink zu einem Dokument auf einem anderen WWW-Server anlegt, jederzeit damit rechnen:

1. daß dieser WWW-Server überhaupt nicht mehr oder nicht mehr unter der angegebenen URL existiert,
2. das betreffende Dokument auf diesem Server überhaupt nicht mehr oder nicht mehr unter der angegebenen URL angeboten wird,
3. dieses Dokument einen anderen Inhalt hat als zu dem Zeitpunkt, an dem der Hyperlink gelegt wurde.

Damit die Leser des Dokumentes beim Verfolgen der Hyperlinks also keine unliebsamen Überraschungen erleben, muß der Autor diese Hyperlinks von Zeit zu Zeit überprüfen und aktualisieren, man spricht dann von "gut gepflegten" WWW-Dokumenten. Das am Ende eines WWW-Dokuments häufig angegebene Datum der letzten Änderung kann dabei als Anhaltspunkt für die Pflegequalität dienen. Auch die Betreiber der von uns untersuchten Wörterbuchsammlungen müssen ihre Hyperlinks zu den Wörterbüchern laufend auf Aktualität überprüfen. Dies ist bei umfangreichen Sammlungen ungemein zeitaufwendig und kann durch die sich häufenden "Verkehrsstaus"auf der "Datenautobahn" im Grunde nicht mehr regelmäßig geleistet werden; schon gar nicht, wenn kostenlos und um der guten Sache willen gearbeitet wird. Selbst bei hervorragend gepflegten Sammlungen kann es deshalb vorkommen, daß Hyperlinks nach oft beträchtlichen Wartezeiten nicht zu den gewünschten Wörterbüchern führen, sondern zu Fehlermeldungen wie "Netscape is unable to locate the server XYZ".

Über die URLs können nicht nur WWW-Server identifiziert werden, sondern auch Server für andere Dienstleistungen wie FTP, Gopher und WAIS (siehe 2.1). Diese Möglichkeit wird in Wörterbuchsammlungen auch genutzt.[14] Weiterhin kann ein Aktionswort in einem WWW-Dokument mit dem Aufruf eines E-Mail-Clientprogramms verbunden werden, über das dann Elektrobriefe an eine vorgegebene Adresse verschickt werden können. Diese Kombination von Informations- und Kommunikationsdiensten ist eine wichtige Grundvoraussetzung für die in 4.2 beschriebenen kollaborativen Wörterbuchprojekte.

Das Attraktive am WWW ist, daß WWW-Dokumente nicht nur Text, sondern auch Graphik, Ton, bewegte Bilder (Animation) und Videos enthalten können. Ein in Abbildung 2 sichtbares - wenn auch nicht hörbares - Beispiel: ein Mausklick auf das beim Stichwort a weng angezeigte Megaphon führt dazu, daß eine Tondatei mit der Aussprache der Wörter abgespielt wird, die über einen Hyperlink mit der Megaphon-Graphik verbunden ist. Dieses Beispiel zeigt auch, daß Hyperlinks in WWW-Dokumenten nicht nur durch Aktionswörter, sondern auch durch Graphiken repräsentiert werden können. Besonders effektiv sind die sensitiven Graphiken (Image Maps), bei denen einzelne Teile der Graphik mit unterschiedlichen Hyperlinks verbunden sind. Ein gutes Beispiel dafür ist das in Abbildung 7 angezeigte Topic Tree Tutorial des ©HYPERSURFING ENGLISH-FRENCH DICTIONARY, das in Abschnitt 4 weiter erörtert wird.

Damit ein Internet-Nutzer in dem weltumspannenden Hypertext Informationen zu einem bestimmten Thema, z.B. Wörterbücher, findet, wird eine Reihe von Suchdiensten angeboten. Suchdienste bieten entweder thematische Kataloge an, deren Einträge Hyperlinks sind, die zu den entsprechenden Angeboten führen, oder sie ermöglichen die Eingabe eines Suchbegriffs (z.B. Wörterbuch oder dictionary), zu dem dann alle gefundenen WWW-Angebote ausgegeben werden. Die Suchdienste sind inzwischen so zahlreich, daß Metalisten zu Suchdiensten existieren, in denen man den passenden Suchdienst anwählen oder mehrere Suchmaschinen gleichzeitig starten kann.[15] Über diese Suchdienste findet man dann sowohl die Wörterbücher selbst, als auch Metalisten zu Wörterbüchern, im weiteren Wörterbuchsammlungen genannt. Die meisten Wörterbuchsammlungen sind auf Initiative von Einzelpersonen entstanden und bieten eine unter bestimmter Perspektive getroffene Auswahl von Hyperlinks zu Wörterbuchangeboten im Internet.

Durch das schnelle Anwachsen und die dezentrale Organisation des Internet kann jedoch kein Suchdienst garantieren, daß er alle Angebote zu einem Thema findet. Deshalb kann auch eine sehr umfassende Wörterbuchsammlung, wie die Beard-Sammlung (4), nicht alle Wörterbuchangebote im Internet vollständig erfassen.[16] Es empfiehlt sich, mehrere Sammlungen gleichzeitig heranzuziehen und mehrere Suchdienste zu befragen. Dies wird dadurch erleichtert, daß die meisten Wörterbuchsammlungen Hyperlinks zu anderen Sammlungen oder sogar voreingestellte Hyperlinks auf Suchdienste enthalten. Sich im WWW einen Überblick zu einem Thema zu verschaffen, ähnelt also dem beim Bibliographieren verwendeten Schneeballverfahren mit zwei wesentlichen Unterschieden:

1. Wie oben bereits erläutert, verweisen die gefundenen URLs auf Dokumente, die schon morgen möglicherweise nicht mehr in der angegeben Form oder am angegeben Ort oder überhaupt nicht mehr existieren; ein Problem, das sich bei bibliographischen Angaben für gedruckte Publikationen in dieser Form nicht stellt.
2. Es läßt sich im allgemeinen gut feststellen, ob zwei bibliographische Angaben auf dieselbe Publikation verweisen, auch wenn konkurrierende Standards für deren Auszeichnung verwendet werden. In den Wörterbuchsammlungen des WWW hingegen werden die URLs der Wörterbücher, die ja prinzipiell jedes WWW-Informationsangebot eindeutig identifizieren, nicht direkt angegeben. Sie sind vielmehr hinter den Aktionswörtern versteckt; wobei es nicht unbedingt offensichtlich ist, daß sich hinter dem Aktionswort "Synonym-homonym-antonym-meronym-holonym-hyponym-hypernym Dictionary of English" in der Beard-Sammlung WORDNET 1.5 verbirgt. Überschneidungen in den Sammlungen, im Prinzip unvermeidlich und auch erwünscht, können aus diesem Grund nur schwer als solche identifiziert werden.

Es dürfte klar geworden sein, daß die spezifische Publikationsform WWW verschiedenste Konsequenzen für eine typologische Untersuchung der dort angebotenen Wörterbücher hat. Wir werden im folgenden Abschnitt kurz auf die wichtigsten Punkte eingehen; einige Aspekte werden an entsprechender Stelle vertieft.

2.3. Konsequenzen für unsere Untersuchung

Wer in einer gedruckten Zeitschrift über Internet-Publikationen schreibt, steht zwei Problemen gegenüber: Der Schnellebigkeit des Internet und der Frage, wie Internet-Publikationen zitiert werden sollen. Bei dem rasanten Tempo, in dem das WWW wächst und sich verändert, entspricht die von uns im Zeitraum März 1996 bis August 1996 erstellte Studie schon beim Erscheinen dieses Heftes nicht mehr dem aktuellen Stand: Einerseits werden ständig neue Wörterbücher angeboten, andererseits können vorhandene Wörterbücher wieder verschwinden, nur noch für bestimmte Benutzergruppen zugänglich sein oder ohne Vorwarnung ihre Internet-Adresse wechseln. Um die Überprüfbarkeit unserer Untersuchungsergebnisse zumindest ansatzweise zu gewährleisten, haben wir die von uns in Abschnitt 3 ausgewerteten Wörterbuchsammlungen auf dem Stand des Untersuchungszeitpunkts (August 1996) archiviert.[17] Es handelt sich dabei um die Sammlung von Robert Beard , im weiteren Beard-Sammlung (4) genannt, die sehr umfangreich ist und Wörterbücher zu 64 Sprachen sowie einen umfassenden Metaindex zu Wörterbuchlisten enthält, um die auf englische Wörterbücher spezialisierte Sammlung von Martin Ramsch , im weiteren Ramsch-Sammlung (8) genannt, und um die viele Kuriositäten enthaltende Sammlung von Jürgen Peus , im weiteren Peus-Sammlung (1) genannt.

Die URLs anderer Sammlungen sind im Literaturverzeichnis L1 angegeben,[18] wobei wir dort eine an Umfang, Gliederung und Qualität des Inhalts orientierte Auswahl getroffen haben.
Obwohl wir alle im Literaturverzeichnis angegebenen URLs im November 1996 noch einmal aktualisiert haben, können wir aus den angebenen Gründen nicht garantieren, daß die von uns besprochenen Wörterbücher und Wörterbuchsammlungen bei Erscheinen dieses Aufsatzes oder später noch unter der angegebenen URL oder überhaupt noch existieren.

Wie können nun WWW-Dokumente überhaupt zitiert werden? Innerhalb des WWW sind die verfügbaren Ressourcen - wie oben erläutert - eindeutig über ihre URL identifizierbar. Auf Publikationen in elektronischen wissenschaftlichen Zeitschriften kann deshalb dadurch verwiesen werden, daß der Name des Autors und der Titel der Publikation angegeben und um die URL ergänzt wird. Im Falle der von uns untersuchten Wörterbücher ist die Frage der Autoren- oder Herausgeberschaft aber oft schwer zu klären. Wer soll beispielsweise als Autor bzw. Herausgeber für die WWW-Zugänge zum WORDNET-Wörterbuch (vgl. 3.4 und 4.5) gelten: Die WORDNET-Autoren selbst oder die Anbieter der WWW-Zugänge (36 und 46)? Wer fungiert als Autor für kollaborative Wörterbuchprojekte wie die ALTERNATIVE DICTIONARIES (64) oder SWEDISH IDIOMS IN PAINFULLY LITERAL TRANSLATION (73)? Die Frage nach dem Autor und der Identität von Texten ist für die Publikationsform WWW neu zu klären (vgl. Frisch (im Druck)). Für die vorliegende Publikation haben wir uns folgendermaßen entschieden: Die URLs der von uns besprochenen Wörterbücher haben wir, wie bereits erwähnt, in alphabetischer Anordnung im Literaturverzeichnis L 2 aufgeführt und mit einer Nummer versehen, mittels der wir auch im Text auf sie Bezug nehmen. Wir halten dies für eine Notlösung und haben uns deshalb bemüht, sooft als möglich zusätzlich Autor oder Herausgeber mit anzugeben.

Die Angabe der URLs in L 1 und L 2 geben Internet-Nutzern die Möglichkeit, die von uns beschriebenen Wörterbücher selbst in Augenschein zu nehmen. Um auch denjenigen, die keinen Internet-Zugang haben, einen Eindruck von den von uns beschriebenen Typen und Phänomenen zu vermitteln, haben wir diesen Artikel um einen relativ umfangreichen Anhang ergänzt, der folgendermaßen aufgebaut ist: In A 1 möchten wir am Beispiel des Lemmas nur einen Eindruck von den in Abschnitt 3.2 besprochenen Deutsch-Englisch-Wörterbüchern vermitteln. In A 2 haben wir Auszüge aus Wörterbüchern zusammengestellt und fortlaufend numeriert; auf diese werden wir in den einzelnen Abschnitten Bezug nehmen.

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Fußnoten

[Anm.: Durch Anklicken der Fußnotenzahl kommt man zurück zur Textstelle.]

[2] Zur Entwicklungsgeschichte des Internet vgl. Scheller et al. 1994, 1.1; Kuhlen 1995, 4.3.1.
[3] Vgl. Internet: Das Netz der Netze (Hörfunksendung des SDR (69)).
[4] Die Zahlen stammen aus dem Internet Domain Survey, July 1996 (65).
[5] Mit Client und Server werden sowohl die Programme bezeichnet, die Dienstleistungen ausführen, als auch die Rechner, auf denen diese Programme installiert sind.
[6] Zur Einteilung der Dienste unter informationswissenschaftlichen Gesichtspunkten vgl. Kuhlen 1995, 9.2.
[7] Zur Einteilung und Untersuchung dieser Dienste aus kommunikationstheoretischer Perspektive vgl. Lenke & Schmitz 1995.
[8] Zu Hypertext und WWW vgl. Kuhlen 1995, Abschnitt 9.1.3.
[9] Vgl. Horn 1989, Kap. 4; Kuhlen 1991, Kap 2.3.
[10] Wir benutzten den Netscape-Browser in der Version 2.02.
[11] Die Adressen der von uns genannten WWW-Ressourcen finden sich im Literaturverzeichnis L 1 und L 2. Im Text wird auf sie durch Ziffern in Klammern verwiesen.
[12] Zur Unterscheidung von intra-, inter- und extratextuellen Hyperlinks vgl. Kuhlen 1991, S. 107f.
[13] Die Darstellung ist sehr vereinfacht, eine detaillierte, gut verständliche Darstellung der Zusammenhänge geben Scheller et al. 1994, Kap. 16.
[14] So enthält z.B. die Beard-Sammlung (4) Verweise auf Gopher, FTP- und WAIS-Server.
[15] Z.B. „Kataloge und Suchmaschinen" (53), das Zugang zu einer ganzen Reihe von Suchdiensten bietet.
[16] Und zwar unabhängig von der Frage, was überhaupt in diesem neuen Medium als Wörterbuch bezeichnet werden und in eine solche Sammlung aufgenommen werden soll.
[17] Ein vollständiger Abdruck im Anhang war aus Platzgründen nicht möglich.
[18] Die Liste der URLs von Wörterbuchsammlungen ist Teil der „Informationsbörse" des Arbeitskreises Hypermedia der Gesellschaft für linguistische Datenverarbeitung. Aktuelle Versionen davon sind unter (52) erhältlich.