Abstracts Deutsche Sprache 2/10

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Jan Rijkhoff

Functional categories in the noun phrase: on jacks-of-all-trades and one-trick-ponies in Danish, Dutch and German

Abstract

Dieser Aufsatz behandelt funktional definierte Modifikatorkategorien der Nominalphrase in einigen germanischen Sprachen, insbesondere Dänisch, Niederländisch und Deutsch. Es wird dafür argumentiert, dass funktionale Kategorien, anders als semantische oder formbasierte Kategorien, die einzigen Kategorien sind, die sich einzelsprachlich und übereinzelsprachlich verwenden lassen. Formale Kategorien sind zu eng (sie decken nicht alle strukturellen Varianten ab, die sich übereinzelsprachlich finden) und semantische Kategorien sind zu weit (sie schließen tendentiell zu viele strukturelle Varianten ein). Der Aufsatz befasst sich vor allem mit der Beziehung zwischen Form und Funktion adnominaler Modifikatoren. Während Elemente bestimmter formaler Kategorien (z.B. adnominale Präpositionalphrase oder PP) in verschiedenen Funktionen gebraucht werden können (z.B. als klassifizierender, qualifizierender oder lokalisierender/verankernder Modifikator des Substantivs), haben andere adnominale Modifikatoren immer die gleiche Funktion. Die vorliegende Untersuchung diskutiert zunächst kurz ein Beispiel eines 'Mädchen für alles' im Niederländischen (adnominale PPs mit van 'von', vgl. Rijkhoff 2009b für eine eingehendere Behandlung), behandelt dann schwerpunktmäßig einen 'Hansdampf in allen Gassen' im Dänischen, das Adjektiv stakkels 'arm' (wie in Stakkels pige! 'Armes Mädchen!'), und vergleicht dieses mit seinem Übersetzungsäquivalent im Deutschen: arm in Einstellungsausdrücken (z.B. Der arme Junge!).

This paper deals with functionally defined modifier categories of the noun phrase in some Germanic languages, in particular Danish, Dutch and German. It is argued that functional categories, unlike semantic or form-based categories, are the only categories that can be applied within and across languages. Formal categories are too narrow (they do not cover all the structural variants attested across languages) and semantic categories are too wide (they tend to include too many structural variants). The paper is particularly concerned with the relation between form and function of adnominal modifiers. Whereas members of certain formal categories (e.g. adnominal prepositional phrase or PP) can be used in several functions (e.g. as classifying, qualifying or localizing/anchoring modifiers of the noun), other adnominal modifiers always have the same function. The current investigation first briefly discusses an example of a jack-of-all-trades in Dutch (adnominal PPs with van 'of'; see Rijkhoff 2009b for a more detailed treatment), then focuses on a one-trick-pony in Danish, the adjective stakkels 'poor' (as in Stakkels pige! 'Poor girl!'), and compares it with its translational counterpart in German: attitudinal arm (e.g. Der arme Junge! 'The poor boy!').


Gisela Zifonun

Possessive Attribute im Deutschen

Abstract

In diesem Beitrag wird eine neue, funktional motivierte Systematik für den adnominalen Genitiv und entsprechende von-Phrasen, die zusammenfassend als 'possessive Attribute' bezeichnet werden, entwickelt. Sie beruht auf Erkenntnissen aus der sprachtypologischen Forschung und dem Vergleich mit anderen, vor allem germanischen Sprachen. Der Beschreibungsrahmen für die NP mit der übergreifenden 'funktionalen Domäne' der Referenz und den zugehörigen Subdomänen wird vorgestellt. Possessive Attribute können als eine Ausdrucksform der Subdomäne Modifikation bestimmt werden. Es wird gezeigt, dass possessive Attribute verschiedene funktionale Typen der Modifikation realisieren können: referentiell-verankernde (der Hut meiner Schwester), qualitative (ein Autor deutscher Herkunft) und klassifikatorische (ein Mann der Tat). Auch randständige possessive Attribute wie der 'Teilungsgenitiv' (eine Tasse heißen Tees) und der Identitätsgenitiv (das Laster der Unbescheidenheit) werden berücksichtigt. Die neue Ordnung possessiver Attribute nach funktionalen Subdomänen ist der traditionellen Einteilung vorzuziehen, insofern als sie lediglich Grundunterscheidungen gemäß dem referenzsemantischen Status des Modifikators (begrifflich versus referentiell) und nach dem Beitrag des Modifikators zur Bedeutungskomposition der NP (verankernd versus qualitativ bzw. klassifikatorisch) berücksichtigt. Zudem ist sie durch Testverfahren wie den Pronominalisierungstest abgesichert.

In this article the author develops a new, functionally motivated systematic analysis of the adnominal genitive and corresponding phrases with von, which are grouped together under the term 'possessive attribute'. The analysis is based on the findings of research into linguistic typologies and comparisons with other, particularly Germanic, languages. A descriptive framework is presented for the NP with the overarching 'functional domain' of reference and associated subdomains. Possessive attributes can be analysed as expressions of the subdomain of modification. It is shown that possessive attributes can realise different functional types of modification: referentially anchoring (der Hut meiner Schwester), qualitative (ein Autor deutscher Herkunft) and classificatory (ein Mann der Tat). Peripheral possessive attributes such as the 'partitive genitive' (eine Tasse heißen Tees) and the genitive of identity (das Laster der Unbescheidenheit) are also considered. The new analysis of possessive attributes according to functional subdomain is to be preferred to the traditional classification inasmuch as it takes into account only basic distinctions according to the reference semantic status of the modifier (conceptual vs. referential) and the contribution of the modifier to the composite meaning of the NP (anchoring vs. qualitative or classificatory). In addition, the new analysis has been tested using procedures such as the pronominalisation test.


Saskia Schuster

Modifikation in der niederländischen Nominalphrase: ein kontrastiver Überblick im Vergleich zum Deutschen

Abstract

Im Bereich der Adjektiv-Nomen-Verbindungen weisen das Deutsche und das Niederländische interessante Kontraste auf. Zum einen betrifft dies die Phrasenbildung: Während die adjektivischen Flektionsmarker im Deutschen (zusammen mit Determinierer und Nomen) ausschließlich für die Kasusmarkierung zuständig sind, ist es im Niederländischen auch möglich, durch Flexionsvariation unterschiedliche Lesarten eines Adjektivs zu spezifizieren. Zum anderen unterscheiden sich beide Sprachen bezüglich der Bildung lexikalischer Einheiten. Im Deutschen werden lexikalische Einheiten vor allem als Komposita realisiert, das Niederländische hingegen greift häufig auch auf Phrasen zurück: Rotwein vs. rode wijn, Freizeit vs. vrije tijd. Der Artikel zeigt typische Merkmale dieser Bildungen und thematisiert problematische Aspekte wie die formale Ambiguität von A+N-Phrasen zwischen qualifizierenden und klassifizierenden Lesarten.

German and Dutch exhibit interesting contrasts in the area of the adjective + noun combinations. One of these contrasts concerns phrase formation: whereas in German adjectival inflectional markers (together with determiners and nouns) are exclusively responsible for case marking, in Dutch it is also possible to specify different readings of an adjective using inflection variation. Secondly these languages differ in the formation of lexical units. In German lexical units are realised primarily as compounds, whereas Dutch frequently also uses phrases: Rotwein vs. rode wijn, Freizeit vs. vrije tijd. The article shows typical characteristics of these formations and discusses problematic aspects such as the formal ambiguity of A+N phrases with qualifying and classifying readings.


Cathrine Fabricius-Hansen

Adjektiv-/Partizipialattribute im diskursbezogenen Kontrast (Deutsch - Englisch/Norwegisch)

Abstract

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit (erweiterten) vorangestellten Adjektiv- und Partizipialattributen (EVAs) und deren Alternativen im Deutschen, Englischen und Norwegischen. Im Zentrum des Interesses stehen dabei die Funktion(en) erweiterter vorangestellter Attribute im Diskurs und die Herausforderungen, die mit ihrer Übersetzung aus dem Deutschen verbunden sind. Nach einer knappen Einleitung werden als Hintergrund Gemeinsamkeiten und einige auffällige Unterschiede der Nominalphrasenstruktur in den drei Sprachen kurz skizziert. Des Weiteren werden Adjektivattribute (i.w.S.) im Deutschen, Englischen und Norwegischen im Hinblick auf ihre Stellungsmöglichkeiten und ihre Ausbaufähigkeit kontrastiert und aus funktional-typologischer Perspektive mit Relativsätzen verglichen. Der Schluss widmet sich in erster Linie den übersetzungsbezogenen Seiten der EVAs und schließt mit einem Hinweis auf Forschungsdesiderate bezüglich von EVAs und deren Alternativen auf Diskursebene.

The present paper discusses expanded pre-nominal adjectival/participial attributes (EVAs) in German and their formal and functional equivalents in English and Norwegian, with a special view to the challenges these structures represent in translation and their function at the level of discourse. Following a brief introduction, the paper presents a simplified contrastive overview of the noun phrase in the three languages. Then pre-nominal and post-nominal adjectival/participial attributes are contrasted across the German, the English and the Norwegian language and compared to relative clauses from the functional-typological perspective. The ending is primarily concerned with translational aspects of EVAs but concludes by suggesting questions for further contrastive research related to the discourse functions of EVAs.