Abstracts Deutsche Sprache 4/99

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Wolfgang Teubert

Korpuslinguistik und Lexikographie

Abstract

Korpuslinguistik, lange Zeit nur eine Methodologie, entwickelt sich nun endlich zu einem eigenen Forschungsansatz. Strikt empirisch fundiert, untersucht sie Sprache ausschließlich anhand von Texten, die in ihrer Gesamtheit das Diskursuniversum bilden und die für die Untersuchungsziele zu handhabbaren Korpora zusammengestellt werden. Die Korpuslinguistik interessiert sich in erster Linie für Semantik. Die Bedeutung von Wörtern, von Phrasen, von Textsegmenten wird im Diskurs verhandelt und manifestiert sich als Sprachgebrauch und Paraphrase. Während also Sprachverstehen mentale Repräsentationen und ihr Verhältnis zur Wirklichkeit impliziert, ist Bedeutung im Sinne der Korpuslinguistik prinzipiell nur sprachlich kommunizierbar. Übersetzungen sind Paraphrasen eines Textes in andere Sprachen. Die multilinguale Korpuslinguistik entwickelt Verfahren, das in Parallelkorpora enthaltene praktische Sprachwissen des Übersetzers zu extrahieren und für teilautomatische Übersetzung nutzbar zu machen. Der korpuslinguistische Ansatz beschreibt das Sprachhandeln der Diskursgemeinschaft, wie es sich in Texten zeigt, und ergänzt so die prozedurale, an Regeln interessierte Sprachanalyse der klassischen Linguistik.

For a long time corpus linguistics was simply a methodolgy, but now at last it is developing into a research field. Strictly empirically based, it studies language solely on the basis of texts, the sum of which form the discourse universe, and which are brought together into manageable corpuses according to the research topic. Corpus linguistics is primarily interested in semantics. The meaning of words, phrases and text segments is negotiated in discourse and manifests itself in the form of language use and paraphrase. Thus while the understanding of language implies mental representations and their relationship to reality, meaning in the context of corpus linguistics can in principle only the communicated by language. Translations are paraphrases of a text in other languages. Multilingual corpus linguistics is developing methods of extracting the linguistic knowledge of the translator, which is contained in parallel corpuses, and making it usuable for semiautomatic translation. Corpus linguistics describes the linguistic activity of the discourse community as it is contained in texts, and thus complements the procedural linguistic analysis of classical linguistics, which is interested in rules.


Robert Bannert/Johannes Schwitalla

Äußerungssegmentierung in der deutschen und schwedischen gesprochenen Sprache

Abstract

In diesem Aufsatz werden Segmentierungsverfahren in der deutschen und schwedischen gesprochenen Sprache miteinander verglichen. Zuerst wird ein hierarchisches System der Reichweiten von Einheiten vorgeschlagen und diese an deutschen und schwedischen Erzählungen illustriert. Für jede Ebene werden die prosodischen, syntaktischen und lexikalischen Mittel festgehalten, die grenzbildend wirken. Der Vergleich bringt große Unterschiede zutage.

This essay examines and compares segmenting procedures in German and Swedish spoken language. First we suggest a hierarchical system of the ranges of units and illustrate these by means of German and Swedish stories. For each level we establish the prosodic, syntactic and lexical units which function as boundary markers. The comparison reveals how large the differences between the two languages are.


Csaba Földes/Pál Uzonyi

Großwörterbücher mit Deutsch als Ausgangs- bzw. Zielsprache:

Zur Problemlage in der Relation Deutsch-Ungarisch und Ungarisch-Deutsch

Abstract

Das im Jahre 1952 von Elõd Halász herausgegebene deutsch-ungarische Großwörterbuch und sein 1957 erschienenes ungarisch-deutsches Pendant sind im Laufe der Jahrzehnte beinahe zu einer Legende geworden und fungierten bis vor kurzem als die einzigen Wörterbücher für dieses Sprachenpaar sowohl im ungarischen als auch im deutschen Sprachraum. Entsprechend verlangten diese mittlerweile mehr als 45 bzw. 40 Jahre alten Sprachlexika nach einer grundlegenden Modernisierung. Die beiden Nachfolgewörterbücher sind nun unter der Herausgeberschaft von Csaba Földes und Pál Uzonyi im Verlag der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in Budapest erarbeitet worden. Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit dem metalexikographischen Konzept der Weiterentwicklung, geht dabei auf allgemein-theoretische Fragen der bilingualen Lexikographie ein und beschreibt die einzelnen Etappen des Projekts.

Elõd Halász' German-Hungarian general dictionary, published in 1952, and his Hungarian-German general dictionary published in 1957 have acquired an almost legendary status since their publication. For the last four decades they have been the only dictionaries for this pair of language either in Hungary or in the German speaking countries. A fundamental revision and modernisation of the 45- and 40-year-old dictionaries was required, and the two successor dictionaries have recently been published. There were developed under the chief editorship of Csaba Földes and Pál Uzonyi and were published by the Publishing House of the Hungarian Academy of Sciences in Budapest. The following study examines the metalexicographic concept of the revision and modernisation, discusses some general theoretical questions of bilingual lexicography and describes the individual stages of the project.


Toshiaki Oya

Er bettelt sich durchs Land -

Eine One's way-Konstruktion im Deutschen?

Abstract

In dieser Arbeit zeige ich, dass zwischen der one's way-Konstruktion im Englischen und einer reflexiven Konstruktion im Deutschen einige wichtige Gemeinsamkeiten zu finden sind und dass die Verwendung des reflexiven Pronomens und mögliche Interpretationen dieser reflexiven Konstruktion anhand eines allgemeinen Schemas im Deutschen erklärt werden können. Darüber hinaus argumentiere ich, dass dieser Ansatz im Vergleich zu den bisherigen einige Vorteile besitzt.

In this article I show that there are some important common features in the one's way construction in English and a type of reflexive construction in German, and that this use of the reflexive pronoun and possible interpretations of this reflexive construction can be explained in terms of a general pattern in German. I also argue that my approach has some advantages over previous ones.


Winfried Thielmann

Begründungen versus advance Organizers

Zur Problematik des Englischen als lingua franca der Wissenschaft

Abstract

Die Adoption des Englischen als lingua franca der Wissenschaft ist nicht unproblematisch, da sie auch die Beherrschung der entsprechenden Textgattungen erfordert - ein Faktum, dem die Naturwüchsigkeit gegenwärtiger Sprachpolitik keineswegs Rechnung trägt. Ausgehend von einer kontrastiven Rekonstruktion der Gattung wissenschaftliche Einleitung als Zweckgefüge im Rahmen spezifischer Wissenschaftspraxis wird gezeigt, dass die hierbei im englischen bzw. deutschen Zusammenhang verfolgten Zwecke einander gegenseitig ausschließen. Die unbewusste Reproduktion deutscher Muster auf Englisch kann daher zu gravierenden Rezeptionsbarrieren führen.

The respective manifestations of English and German scholarly genres show remarkable differences regarding their discourse features. As argued, these differences arise from the fact that genres are complex systems of purposes pursued in scholarly practice. This investigation, which is focusing on introductions, reveals that the scholarly purposes pursued in English and German representatives of this genre are almost mutually exclusive. The unconscious reproduction of, for example, German patterns of introduction-writing in English will thus have detrimental consequences for the reception of the work by an English audience - a fact that makes the 'natural' adoption of English as the lingua franca of science a questionable enterprise.