Texte entstehen einerseits in je individuell problemlösenden Formulierungsprozessen, andererseits sind sie situationsentbundene, sprachlich objektivierte Produkte. Wie diese beiden Seiten miteinander verbunden sind, ist eine Grundfrage der Textlinguistik (z. B. Quaestio-Ansatz, RST, Dynamische Texttheorie) und von hoher Relevanz für didaktische Fragen.
Zwischen Prozess- und Produktperspektive vermittelt das Konzept der “Textprozedur”. Prozeduren sind die sprachlich stabilen Komponenten textbildender Handlungen. Texthandlungstypen wie Argumentieren, Beschreiben, Erklären, Interpretieren sind ihrerseits aus routinehaft prozeduralisierten Handlungsschemata zusammengesetzt, beim Argumentieren etwa das Positionieren über einen Ausdruck wie “meiner Meinung nach” oder das Konzedieren und Abwägen über Ausdrücke wie “einerseits … andererseits” oder “zwar … aber”. Typisierte Ausdrucksmuster indizieren solche Handlungsschemata, geben aber auch Hinweise auf deren sequentielle Verortung im Text und auf Textsortenzugehörigkeiten: Eine Wendung wie “in [Text X] geht es um …” zeigt ebenso eine Ausdruckstypik und sequentielle Typik wie die bekannte Grimm’sche Märcheneinleitungskonstruktion “Es war einmal …”. In didaktischer Perspektive wird damit ein gewissermaßen handwerklicher Blick auf das Schreiben möglich. Textprozeduren sind sprachliche ‘Werkzeuge’ des Schreibens. Sie sind lehr- und lernbar. Von besonderem Interesse ist dabei didaktisch auch, wie mündlicher und schriftlicher Sprachgebrauch im Erwerb zusammenspielen.
Die Beiträge dieses Bandes stellen die offene und durchaus auch kontroverse konzeptionelle und methodologische Diskussion zu Textprozeduren vor, berichten über empirische Untersuchungen zum Erwerb von Textprozeduren z. B. beim Erzählen, Argumentieren, Interpretieren und werfen auch einen Blick auf die bisherige Rezeption und praktische Verwendung des Konzepts. Sie wenden sich an textlinguistisch und sprachdidaktisch Forschende ebenso, wie sie Lehrende in Hochschulseminaren und der Lehrerausbildung ansprechen.
Inhaltsverzeichnis
Feilke, Helmuth: | |||
Textprozeduren: erkennen, erwerben, fördern | S. 9 | ||
I. Theoretisches Konzept | |||
Brommer, Sarah: | |||
Der Begriff Textprozedur Beobachtungen und Fragen zu seiner Verwendung |
S. 53 | ||
Stein, Stephan: | |||
Textprozeduren und Formulierungsmuster als Teil des Textmusterwissens Am Beispiel des Vergleichs konzeptionell schriftlicher und mündlicher Praktiken in Rezensionen Jugendlicher |
S. 65 | ||
Steinhoff, Torsten: | |||
Textprozeduren in Interventionsstudien Methodische Verfahren und theoretische Fragen am Beispiel dreier Feldexperimente |
S. 95 | ||
Pohl, Thorsten: | |||
Textprozeduren Analytisch/operational nicht existent – schreibdidaktisch evident |
S. 115 | ||
II. Empirisch-didaktische Forschungsperspektiven | |||
Rödel, Michael: | |||
Unterricht(en) mit Textprozeduren – Gestaltungsoptionen im Vergleich | S. 151 | ||
Uhl, Benjamin: | |||
Narrative Schemaaktivierung Wie Grundschulkinder narrative Textprozeduren lernen – Einblicke in ein Lernarrangement zur narrativen Schemaaktivierung in der Mündlichkeit |
S. 173 | ||
Rezat, Sara / Grundler, Elke / Schmölzer-Eibinger, Sabine: | |||
“Ich find’s aber trotzdem unfair.” Argumentausbau in argumentativen Gesprächen und Briefen von Schüler*innen |
S. 189 | ||
Pieper, Irene / Wieser, Dorothee: | |||
Potentiale des Prozedurenansatzes für die didaktische Modellierung der Interpretation literarischer Texte | S. 219 | ||
Emmersberger, Stefan: | |||
Der Wald und seine Bäume Eine explorative Analyse des Zusammenspiels zwischen Texthandlungstypen und Textprozeduren am Beispiel der Textsorte journalistischer Zeitungskommentar |
S. 243 |