Abstracts Deutsche Sprache 4/98

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Claudia Fraas / Ulrike Haß-Zumkehr

Vom Wörterbuch zum Lexikalischen Informationssystem

Lexxis - ein neues Projekt des Instituts für deutsche Sprache

Abstract

Der Aufsatz diskutiert neue Möglichkeiten, die sich durch die Potenzen elektronischer Medien für eine umfassende und komplexe Beschreibung von Wortschatz ergeben. Dabei wird vor allem auf drei zentrale Problembereiche eingegangen: Zunächst werden die Vor- und Nachteile von Hypertext als Medium der Wissens-Präsentation besprochen. Darauf aufbauend wird erläutert, inwiefern die Potenzen von Hypertext gleichsam eine neue Dimension der Lexikografie eröffnen. Drittens wird der linguistische Mehrwert diskutiert, der zum einen mit dem Aufbau eines computergestützten lexikalisch-lexikologischen Informationssystems verbunden ist, sich zum anderen aus der Nutzung eines solchen Systems für die linguistische Forschung ergibt. Diese drei Problembereiche werden vor dem Hintergrund der Konzipierung eines lexikalisch-lexikologischen, korpusbasierten Such- und Informations-Systems behandelt (LEXXIS), einem neuen Projekt des Instituts für deutsche Sprache.

In this article, the authors discuss the new possibilities which the power of the electronic media offer for a comprehensive and complex description of vocabulary. Three central problem areas are addressed. First we discuss the advantages and disadvantages of hypertext as a medium for presenting knowledge. On the basis of this, we explain how the properties of hypertext open up a new dimension of lexicography. Thirdly we discuss the added linguistic value which comes from the construction of a computer-assisted lexico-lexicological information system on the one hand and the utilisation of such a system for linguistic research on the other. These three problem areas are viewed against the background of plans for a lexico-lexicological, corpus-based search and information system (LEXIS), a new project of the Institut für deutsche Sprache.


Jürgen Dittmann / Claudia Schmidt

Verbales Arbeitsgedächtnis, Lernen und Fremdsprachenerwerb

Ein Forschungsüberblick

Abstract

Im vorliegenden Beitrag stellen wir zunächst die aktuelle Forschung zum verbalen Arbeitsgedächtnis aus gedächtnispsychologischer und neuropsychologischer Perspektive dar. Dann gehen wir der Frage nach, inwiefern das verbale Arbeitsgedächtnis am verbalen Lernen beteiligt ist, wobei auch eigene Daten diskutiert werden. Schließlich zeien wir auf, welchen Anteil das verbale Arbeitsgedächtnis am fremdsprachlichen Lernen hat, wobei der Vokabularerwerb in der Fremdsprache im Vordergrund steht.

In this article we first present the state of the art in verbal memory research from the viewpoint of psychology of memory and neuropsychology. The we discuss the possible contribution of verbal working memory of verbal learning in general and on the basis of our own data. Finally we show to what degree verbal working memory contributes to learning a foreign language with special attention to the acquisition of vocabulary.


Werner Abraham

ein Schatz von einem Kind

Zur Prädikatsyntax binominaler Nominalkonstituenten

Abstract

Es wird die syntaktische Beschreibung der Prädikation innerhalb einer komplexen Nominalgruppe des Typs ein Hund von (einem) Schispringer diskutiert. Ausgang der Analyse ist eine Batterie von Distributionsproben. Zudem wird auf eine Reihe von aktuellen Vorschlägen in der Literatur eingegangen mit dem Ziel zu zeigen, daß öfters - offenbar aus reinen Markt- oder schulischen Vorbildzwängen - methodisch komplizierte und theorieüberladene Analysen vorgenommen werden.

The topic of this article is the syntactic description of predication within a complex nominal group of the type ein Hund von (einem) Schispringer. The starting point of the analysis is a battery of distribution tests. In addition, a number of suggestions contained in the recent literature are discussed with the aim of showing that frequently - obviously encouraged by the necessities of the market or by the models current in various schools - methodologically unnecessarily complicated and overtheoretical analyses are undertaken.


Erwin Morgenthaler

Zur Problematik des Konjunktivs in seiner Rolle bei der Redeerwähnung

Abstract

Große Schwierigkeiten bereitet der gegenwärtigen Grammatikschreibung die Frage, welche Regeln man für den Gebrauch des Konjunktivs bei indirekter Rede festhalten kann. Dies zeigt sich sowohl, wenn man die verschiedenen Auflagen einer Grammatik verfolgt, als auch wenn man verschiedene gegenwärtige Darstellungen dieser Problematik mit einander vergleicht.
Aus dem Vergleich moderner Arbeiten zu der Problematik werden Grundsätze für die Erstellung eines Korpus erhoben, an Hand dessen versucht wird, Licht ins Dunkel einiger Aspekte der Problematik zu bringen.
Dabei stellt sich heraus, dass in gesprochenen Texten der Indikativ der Normalmodus bei indirekter Rede ist. Hier wird Konjunktiv I oder II meist ohne semantischen Unterschied benutzt, um die Irrealität/Potentialität der berichteten Aussage, die bereits im inhaltlichen Kontext ins Spiel gebracht ist, zu verstärken oder sie ohne entsprechenden Kontext selbst zu signalisieren.
Darüber hinaus werden Gründe geliefert, warum journalistische Textsorten eine erhöhte Häufigkeit von Konjunktivgebrauch bei indirekter Rede aufweisen.
Schließlich wird an Hand der klassischen schriftlichen Textsorte "Aufsatz" die Komplexität möglicher Gründe für die Wahl der Modusform des Verbs bei indirekter Rede aufgezeigt.

Grammars of present-day German find it difficult to formulate rules for the use of the subjunctive in indirect speech. This can be seen both by comparing different editions of a single grammar and by comparing the descriptions of this problem in different grammars. A comparision of recent work on the use of the subjunctive leads to the formulation of principles for the creation of a corpus which is intended to shed light on some aspects of this question. It turns out that in spoken texts the indicative is the usual mood in indirect speech. The subjunctive I and II are usually used, without any semantic order difference, in order to strengthen the irreality/potentiality of the report speech if this is already indicated by the context, or in order to indicate it on its own. Reasons are given why journalistic text types should contain an increased number of subjunctive forms in indirect speech. Finally, a discussion of the classical written text type 'essay' reveals the complexity of possible reasons for the choice of verbal mood in indirect speech.


Boris Djubo

Die grammatischen Anschauungen der Aufklärung bei Gottsched und Lomonosov

Abstract

Der Einfluß der deutschen Grammatiken auf die russischen ist noch nicht hinreichend erforscht. Es wird gezeigt, daß sich die deutsche wie die russische grammatische Lehre in der Mitte des 18. Jahrhunderts im allgemeinen in den Bahnen der europäischen Grammatik bewegte. Das in der Aufklärung wachsende Interesse für eine rationalistische allgemeine Grammatik lag den deutschen und russischen Sprachlehrern nicht fern. Untersucht werden einige Definitionen der Redeteile und der grammatischen Kategorien in den Grammatiken von J.C. Gottsched und M.V. Lomonosov. Ihre logisch-semantischen grammatischen Definitionen gehen zurück auf die rationalistischen Ideen der Sprachuniversalien.

The influence of German grammars on those of Russian has not yet been sufficiently well investigated. The present study shows that in the middle of the 18th century both German and Russian grammatical theory were generally typical of European grammar. The interest in a rationalist general theory of grammar which developed in the Enlightenment was shared by German and Russian grammarians. The article examines some definitions of the parts of speech and of the grammatical categories in the grammars of J.C. Gottsched and M.V. Lomonosov. Their logico-semantic grammatical definitions can be traced back to rationalist ideas about linguistic universals.