Abstracts Deutsche Sprache 3/97
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Ingrid Kühn / Klaus Almstädt
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Sprachberatung zwischen Sprachwacht und Kummertelefon
Abstract
Bei deutsch-deutschen Sprachproblemen hilft die Sprachberatungsstelle des Germanistischen Instituts der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Tel.: 0345-5523605). Seit 1993 werden die Fragen dokumentiert, und hier werden Auffälligkeiten und Konflikte zwischen Ost und West deutlich. DDR-Typisches und Bedeutungsveränderungen zu erklären sowie Hilfe bei Neubenennungen und beim Formulieren von Bewerbungsschreiben oder Lebensläufen zu geben, Toleranz und Verständnis bei Sprachkriterien in Ost und West zu entwickeln - das sind Aufgaben in dem Teilbereich der Sprachberatung, der hier vorrangig dargestellt wird.
The Linguistic Advice Centre of the Martin Luther University Halle-Wittenberg (Tel.: 0345-5523605) offers help with inner-German linguistic problems. Since 1993 records of the questions have been kept, and these reveal noticeable differences and conflicts between East and West. The responsibilities of the section of the Linguistic Advice Centre which ist the main focus of this article include: explaining typical GDR usuage and changes of meaning, giving help with renaming, assisting in the formulation of letters of application and CVs, and building tolerance and understanding of linguistic criteria in East and West.
Klaus Welke
Eine funktionalgrammatische Betrachtung zum Reflexivum: Das Reflexivum als Metapher
Abstract
Gegenstand sind die drei Verwendungsweisen des Reflexivpronomens sich: (1) der referentielle Gebrauch (Er wäscht sich.), (2) als Bestandteil von sog. reflexiven Verben bzw. Medialverben oder Mittelverben (Er ärgert sich. Die Lücke vergrößert sich.) und (3) von sog. Medial- oder Mittelkonstruktionen (Der Pullover trägt sich angenehm.). (1) ist die originäre Verwendung des Reflexivums, (2) und (3) sind metaphorische Verwendungen, eine Grundtatsache, die in den zahlreichen neueren Untersuchungen zum Reflexivum in der Regel nicht berücksichtigt wird. Sowohl systematisch als historisch gilt die Abfolge (1), (2), (3). Über die Metapher werden aus Handlungsbedeutungen Vorgangsbedeutungen gewonnen. Diese Vorgangsbedeutungen sind medial oder ergativisch in dem Sinne, daß sie kein Agens als Argument präsupponieren.
This study examines the three uses of the reflexive pronoun sich: (1) the referential use (Er wäscht sich.), (2) as a component in so-called reflexive or middle verbs, (Er ärgert sich. Die Lücke vergrößert sich.) and (3) as a component in middle constructions (Der Pullover trägt sich angenehm.) (1) is the original use of the reflexive, (2) and (3) are metaphorical uses, a basic fact which has generally been overlooked in the numerous recent studies of the reflexive. Both systematically and historically the order is (1), (2), (3). The concept of the metaphor permit us to develop process meanings from actional meanings. These process meanings are medial or ergative in the sense that they do not presuppose an agent has an argument.
Gunther Schunk
Regionalismus - Ein sprachwissenschaftlicher Begriff?
Abstract
Seien es Frikadellen, Buletten oder Hackfleischklößchen - sprachliche Regionalismen sind sowohl Sprechern als auch Sprachwissenschaftlern ein Begriff. Aber es mangelt an linguistischen Definitionen und methodischen Ansätzen zu diesem sprachlichen Phänomen.
Der Beitrag analysiert ausschnitthaft zwei große gegenwartssprachliche Wörterbücher des Deutschen und kommt zu dem Ergebnis, daß der lexikographische Umgang mit räumlichen Markierungen in den untersuchten Wörterbüchern unsystematisch ist. Aus diesem Grund geht der Autor folgenden Fragen nach:
- Auf welchen Sprachebenen sind Regionalismen verzeichnet? -
- Welche räumliche Verbreitung zeigen sie? -
- Welche Rolle spielt das den Wörterbüchern zugrundeliegende Korpus?
Der Autor kommt zu folgendem Schluß: In der Sprachwissenschaft sollte der Terminus "Regionalismus" nur bei der lexikographischen Arbeit angewendet werden und nur für lexikalische Einheiten. Bisher fehlt aber ein klares Konzept diatopischer Markierung.
Native speakers as well as linguists are aware of regionalisms in speech. But there is a lack of linguistic definitions and methods to describe the phenomenon of regionalism in language. This article analyses sections of two standard dictionaries of German and concludes that the lexicographical use of areal markers in these dictionaries is unsystematic. The author goes on to pursue the following questions:
- On which levels of language do the dictionaries list regionalisms? -
- Which geographical areas are registered? -
- . What is the impact of the corpus on which the dictionaries are based?
The author concludes that in linguistics the term "regionalism" should only be used for lexicographical work and only for lexical units. But we do not yet have a clear theoretical concept of diatopic markers.
Renate Pasch
Weil mit Hauptsatz - Kuckucksei im Denn-Nest
Abstract
Es wird der in der Literatur geäußerten Annahme widersprochen, weil mit einem folgenden Verbzweitsatz fülle generell eine Ausdruckslücke in der gesprochenen deutschen Alltagssprache. Zumindest in den norddeutschen Sprachgebieten handelt es sich bei dem in den letzten Jahren zu beobachtenden Vordringen der weil-Verbzweitsatz-Konstruktion auch in der gesprochenen Sprache um eine Verdrängung: die Verdrängung der kausalen denn-Konstruktion. Der Aufsatz führt mögliche Gründe für diese Verdrängung an: Tendenzen zur lexikalischen Generalisierung und zur Spezialisierung topologischer Satztypen.
This article contradicts the assumption which has been expressed in scholarly publications that weilwith a following verb-second clause fills a gap in colloquial spoken German. At least in northern Germany, the increase in the use of the construction weilplus verb-second clause has been a displacement even in spoken language: a displacement of the causal dennconstruction. This article lists possible reasons for this displacement: tendencies towards lexical generalisation and towards the specialisation of topological sentence types.
Anette Stürmer / Stephen Oberhauser / Albert Herbig / Barbara Sandig
Bewerten und Bewertungsinventar:
Modellierung und computergestützte Rekonstruktionsmöglichkeiten
Abstract
Wir berichten über ein Projekt, das an der Universität des Saarlandes in der Germanistik seit 1988 durchgeführt wird. In Teil 1 wird die Theoriegrundlage skizziert, in Teil 2 auf den Anwendungsaspekt eingegangen.
We report on a project which has been running at the German Department of the University of the Saarland since 1988. Part 1 sketches the theoretical basis of the project, and Part 2 examines how it can be applied.